Für viele Unternehmer:innen, die neue Märkte erschließen möchten, gehört die Türkei zu den spannendsten Zielen im internationalen E-Commerce. Eine junge, digital affine Bevölkerung, stark steigende Online-Shopping-Aktivitäten und eine zunehmend professionelle Infrastruktur schaffen ideale Bedingungen für erfolgreiche Expansion.
Gleichzeitig unterscheidet sich der türkische Markt in wichtigen Punkten von typischen EU-Ländern – und genau hier liegen große Chancen für Händler:innen, die ihr Angebot bewusst auf lokale Bedürfnisse abstimmen. Dieser Beitrag zeigt dir, wie der türkische E-Commerce funktioniert, welche Besonderheiten du kennen solltest und wie du dein Business erfolgreich in der Türkei positionierst.
Was macht E-Commerce in der Türkei so attraktiv?
Die Türkei verbindet einen großen, jungen Binnenmarkt mit hoher Internet- und Social-Media-Nutzung und stark wachsendem Onlinehandel. E-Commerce macht bereits rund ein Fünftel des gesamten Handels aus, wächst schneller als die Gesamtwirtschaft und wird politisch aktiv gefördert.
Der E-Commerce in der Türkei: Starkes Wachstum und hohe Kaufkraft
Die Türkei hat rund 86 Millionen Einwohner:innen. Etwa 80–85 Prozent davon nutzen das Internet – deutlich mehr als in vielen anderen Wachstumsmärkten. Der E-Commerce-Markt ist in den letzten Jahren stark gewachsen:
- Das E-Commerce-Volumen stieg von rund 24 Mrd. US-Dollar (2019) auf knapp 78 Mrd. US-Dollar (2023) und weiter auf rund 90 Mrd. US-Dollar (2024).
- Zwischen 2019 und 2024 entspricht das einem jährlichen Wachstum von über 30 Prozent.
- Die Anzahl der E-Commerce-Nutzer:innen in der Türkei wird bis 2025 auf insgesamt 58 Millionen ansteigen.
Die Rolle des Onlinehandels für die Gesamtwirtschaft
Der Onlinehandel ist inzwischen ein integraler Bestandteil der türkischen Wirtschaft. E-Commerce-Transaktionen machen inzwischen rund 18 Prozent des gesamten Handels in der Türkei aus. 2023 entfielen rund 20,3 Prozent des gesamten Handelsvolumens auf den E-Commerce. Im Jahr 2019 betrug der Anteil lediglich 10,1 Prozent. Der Beitrag des E-Commerce zum BIP liegt je nach Quelle bei rund 6,5–6,8 Prozent.
Für dich als Shopify-Händler:in heißt das: Du triffst auf einen Markt, der im Vergleich zu vielen EU-Ländern noch nicht gesättigt ist, aber bereits ausreichend Größe und Kaufkraft mitbringt, um sich wirklich zu lohnen.
Wettbewerb und Regulation im türkischen E-Commerce
Tausende Händler:innen verkaufen bereits über eigene Shops und Marktplätze. Allein 2023 sollen über eine halbe Million E-Commerce-Unternehmen aktiv gewesen sein. Dies spiegelt einen starken Wettbewerb wider, der durch regulatorische Maßnahmen begünstigt wird.
Die türkische Regierung setzt auf Digitalisierung, E-Government und E-Commerce-Förderung. Das ist wichtig für dich, weil:
- Rahmenbedingungen tendenziell professionalisiert werden (z. B. klare Informationspflichten für Shops).
- Investitionen in Logistik, Zahlungssysteme und Infrastruktur den Markteintritt aus dem Ausland erleichtern.
Typische Konsumgewohnheiten im türkischen E-Commerce
Der türkische E-Commerce wird stark von einer jungen, urbanen und mobilen Bevölkerung geprägt. Digitale Nutzungsmuster, Preisorientierung und der hohe Stellenwert von Social Media führen dazu, dass Kaufentscheidungen schnell getroffen werden – allerdings nur, wenn Nutzer:innen ein reibungsloses Einkaufserlebnis vorfinden.
Digitalverhalten
Für den E-Commerce in der Türkei sind vor allem urbane, jüngere Zielgruppen relevant. Die Türkei bietet damit hervorragende Rahmenbedingungen für den digitalen Handel – insbesondere, weil große Teile der Bevölkerung Social Media, Mobile Shopping und Online-Services selbstverständlich nutzen.
- Digitale Affinität: Die digital aktivsten Gruppen liegen zwischen 16 und 44 Jahren, mit dem Schwerpunkt auf 25–34 Jahren. Diese Altersgruppen sind an schnelle, intuitive Online-Erlebnisse gewöhnt und reagieren stark auf Social-Media-Trends.
- Social Commerce: Social Media spielt eine zentrale Rolle in der Produktrecherche. Besonders Instagram, YouTube, TikTok und Co. sind wichtige Touchpoints im Kaufprozess. Reels, kurze Videos, Creator-Empfehlungen und Live-Shopping-Formate beeinflussen Kaufentscheidungen sichtbar.
- Demografie: Bildung und Einkommen wirken sich deutlich auf die Online-Kauffrequenz aus. Personen mit höherer Bildung nutzen Onlinekanäle häufiger, geben mehr für digitale Services aus und erwarten ein professionelles Einkaufserlebnis.
- Gender-Gap: Männer kaufen im Durchschnitt häufiger online ein als Frauen. Für Händler:innen kann das eine Chance sein, weibliche Zielgruppen mit gezielten Social-, Beauty- oder Lifestyle-Inhalten stärker anzusprechen.
- Mobile First: Nutzer:innen sind stark mobilorientiert. Shopping findet zu großen Teilen auf Smartphones statt, was insbesondere für bildstarke Produkte wie Mode, Beauty, Sport oder Deko entscheidend ist.
Liefererwartungen
Türkische Onlinekäufer:innen legen großen Wert auf Komfort und Verlässlichkeit im Versandprozess. Die Entscheidungsfaktoren ähneln dabei reifen E-Commerce-Märkten, während gleichzeitig regionale Besonderheiten zu beachten sind.
- Kostenlose oder sehr günstige Lieferung: Versandkosten sind ein wichtiger Kaufentscheidungsfaktor. Bereits geringe Versandkosten können zu Kaufabbrüchen führen.
- Einfache Rücksendungen: Eine unkomplizierte Retourenabwicklung stärkt Vertrauen und wird im Fashion-, Elektronik- und Beauty-Bereich als Standard erwartet.
- Lieferoptionen: Nachnahme spielt eine kleinere Rolle als früher, ist jedoch in bestimmten Zielgruppen (z. B. außerhalb der Großstädte oder bei geringerer Online-Erfahrung) weiterhin relevant.
Preise & Angebote
Der türkische Markt ist stark preisgetrieben. Die wirtschaftliche Lage, die hohe Inflation und die enge Bindung vieler Konsument:innen an Promotions haben dazu geführt, dass Preisstrategien im E-Commerce eine besonders große Wirkung entfalten.
- Rabatte, Gutscheine und Aktionen: Promotions sind fester Bestandteil des Einkaufsverhaltens. Aktionszeiträume wie saisonale Sales, Shopping-Festivals oder Marktplatz-Kampagnen werden aktiv genutzt.
- Transparente Bewertungen und Rezensionen: Nutzer:innen legen großen Wert auf die Authentizität von Reviews. Bewertungen beeinflussen die Kaufentscheidung sichtbar und sind besonders auf Marktplätzen entscheidend.
- Preis-Leistungs-Verhältnis: Kund:innen erwarten nachvollziehbare Preise, klare Produktvorteile und sichtbare Qualitätsmerkmale. In vielen Kategorien tritt der Markenwert erst an zweiter Stelle – wichtiger ist der wahrgenommene Nutzen.
Bevorzugte Zahlarten
Eine schnelle, reibungslose Checkout-Erfahrung ist essenziell. Der türkische Markt zeichnet sich durch eine starke Dominanz von Kartenzahlungen aus, ergänzt durch flexible und kreditbasierte Modelle.
- Kredit- und Debitkarten sind die wichtigsten Zahlungsmethoden im türkischen E-Commerce. Sie werden am häufigsten genutzt und gelten bei vielen Nutzer:innen als Standard.
- Ratenzahlungen sind je nach Produktkategorie ein entscheidender Conversion-Treiber. Besonders in Elektronik und hochpreisigen Segmenten werden Installments aktiv nachgefragt.
- Lokale Kartenanbieter:innen und bankgebundene Lösungen spielen als Ergänzung eine Rolle und tragen zu Vertrauen bei.
- Der Checkout muss schnell und intuitiv sein. Lange Formulare, unnötige Schritte oder unklare Preisangaben führen häufiger zu Kaufabbrüchen als in stabileren Märkten.
Marktplätze & Plattformen
Das ausgeprägte Mobile-First-Verhalten beeinflusst auch die Rolle, die Marktplätze im Alltag türkischer Konsument:innen spielen. Sie sind in der Türkei zentrale Anlaufstellen für die Produktsuche, Preisvergleiche und den tatsächlichen Kauf. Viele Kund:innen beginnen ihre Recherche nicht im Shop einer Marke, sondern direkt auf Plattformen.
Zu den wichtigsten Playern gehören:
- Trendyol
- Hepsiburada
- Amazon.com.tr
- spezialisierte Marktplätze, etwa für Elektronik, Fashion oder Haushaltsgeräte
Diese Plattformen bieten große Sortimente, starke Filterfunktionen, vertrauensbildende Bewertungen und schnelle Lieferoptionen – Faktoren, die besonders in einem mobilen, stark vergleichsgetriebenen Markt entscheidend sind.
Beliebte Produktkategorien im türkischen E-Commerce
Die umsatzstärksten Kategorien bieten Orientierung für die Sortimentsplanung:
- Fashion & Schönheit: Kleidung, Schuhe, Sportswear, Kosmetik und Parfüm gehören zu den wichtigsten Online-Segmenten.
- Elektronik: Smartphones, Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte zählen zu den größten Umsatztreibern.
- Haus & Garten: Möbel, Deko und Haushaltswaren wachsen kontinuierlich, besonders in urbanen Regionen.
- Lebensmittel & Drogerie: Besonders in Ballungszentren gewinnt Online-Lebensmittelhandel weiter an Bedeutung.
- Sport: Sportbekleidung und Equipment profitieren vom Fitness- und Lifestyle-Trend.
Chancen für Händler:innen im türkischen E-Commerce
- Lokalisierung als Erfolgsfaktor: Eine vollständig lokalisierte Shop-Experience – inklusive Sprache, Währung und kultureller Anpassung – stärkt Vertrauen und reduziert Einstiegshürden.
- Social- und mobile-first: Die hohe Nutzung von Social Media und mobilen Endgeräten bietet ideale Bedingungen für visuelle Inhalte, Creator-Kampagnen und mobile Werbung.
- Marktplätze als Reichweiten-Booster nutzen: Trendyol, Hepsiburada und Amazon.com.tr ermöglichen schnellen Zugang zu hoher Sichtbarkeit bei geringen Einstiegskosten und liefern wertvolle Learnings zu Sortiment, Pricing und Retouren.
- Reibungsloser Checkout als Differenzierungsmerkmal: Ein intuitiver, schlanker Checkout erhöht die Abschlussquote und verbessert das Nutzererlebnis spürbar.
- Mehr Abschlüsse durch relevante Zahlarten: Kredit-/Debitkarten und Ratenzahlungen gehören zu den wichtigsten Zahlarten in der Türkei und reduzieren Kaufabbrüche nachhaltig.
- Vorteil durch zuverlässige Lieferung: Klare Lieferzeiten und verlässliche Versandoptionen schaffen Vertrauen und minimieren Abbrüche im letzten Schritt des Kaufprozesses.
- Hohe Wirksamkeit von Promotions: Rabatte, Bundles und Aktionen wirken stark auf die Kaufentscheidung und können – bei kluger Kalkulation – die Conversion deutlich erhöhen.
Herausforderungen im türkischen E-Commerce
Neben den attraktiven Marktchancen sollten Händler:innen folgende Risiken berücksichtigen:
- Hohe Inflation & Preissensibilität: Preisstrategien müssen flexibel sein und Promotions klar kalkuliert werden.
- Starker Wettbewerb auf Marktplätzen: Trendyol und Hepsiburada setzen hohe Standards bei Preis, Versand und Service.
- Regulatorische Anforderungen: Transparenzpflichten und Vertragsinformationen müssen korrekt umgesetzt werden.
- Komplexere Logistik durch Zoll & Abgaben: Besonders für Kleinpakete können Einfuhrabgaben die Marge belasten.
Rechtliche Anforderungen an E-Commerce-Anbieter:innen
Die Türkei orientiert sich in vielen Bereichen an EU-Standards, wendet aber eigene Detailregelungen und landesspezifische Anforderungen an. Folgende Aspekte solltest du berücksichtigen.
Informationspflichten im Onlineshop
In der Türkei gelten klare Transparenzpflichten, ähnlich wie in der EU. Händler:innen müssen eine gut sichtbare Anbieterkennzeichnung bereitstellen, darunter:
- Firmenname
- Firmenregister- bzw. Steuernummer
- vollständige Anschrift
- E-Mail-Adresse
- ggf. Markenname
- Angaben zur zuständigen Berufskammer
Diese Angaben sollen die Seriosität des Shops erkennbar machen und klare Kontaktwege schaffen.
Informationen vor Vertragsschluss
Vor dem Kauf müssen Kund:innen verständlich über folgende Punkte informiert werden:
- wesentliche Produkteigenschaften
- Gesamtpreis inkl. aller Kosten
- Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen mit Liefertermin
- Widerrufsrecht und Ausnahmen
- Hinweis auf die Zahlungspflicht bei Bestellung
Üblicherweise erfolgt dies über ein standardisiertes Vor-Informations-Formular.
Informationen nach Vertragsschluss
Nach Abschluss der Bestellung müssen Händler:innen:
- den Eingang der Bestellung elektronisch bestätigen
- Kund:innen Zugang zu Vertragsinhalten und AGB ermöglichen
Dies gewährleistet Transparenz und erleichtert die Nachvollziehbarkeit des Kaufvorgangs.
Versand, Zoll und Steuern: Was du beim Cross-Border-Handel beachten solltest
Beim Versand aus der EU in die Türkei spielen Zoll- und Steuerregeln eine wichtige Rolle, da sie Kosten, Preisgestaltung und Lieferzeiten beeinflussen.
Zollunion EU–Türkei
Für viele industriell-gewerbliche Waren mit EU- oder Türkei-Ursprung fallen keine Zölle an. Diese Erleichterung gilt jedoch hauptsächlich im B2B-Bereich; im B2C fällt sie aufgrund anderer Verfahren weniger ins Gewicht.
Strengere Regeln für kleine B2C-Sendungen
Die Wertgrenze für vereinfachte Verfahren wurde auf 30 Euro gesenkt. Für Sendungen aus der EU werden 30 Prozent Einfuhrabgaben fällig, für Waren aus Drittländern 60 Prozent. Kleinpaket-Strategien werden dadurch deutlich teurer.
Auswirkungen auf dein Geschäftsmodell
- Direktlieferungen mit niedrigen Warenwerten verlieren an Attraktivität.
- Lokale Lager oder Fulfillment-Lösungen in der Türkei können bei wachsendem Volumen wirtschaftlicher sein.
- Eine genaue Kalkulation aus Produktpreis, Versand, Zoll und Steuern ist entscheidend, um wettbewerbsfähige Endpreise zu erreichen.
Besonders für den Einstieg lohnt sich eine detaillierte Kostenanalyse, bevor du deine Preisstrategie festlegst.
Fazit
Der türkische E-Commerce wächst dynamisch und bietet Unternehmer:innen attraktive Möglichkeiten, ihre Marke in einem jungen, mobilen und onlineorientierten Markt zu etablieren. Wer die Erwartungen an Online-Einkäufe versteht, gut lokalisierte Inhalte anbietet und sowohl Marktplätze als auch den eigenen Shop geschickt nutzt, kann schnell erste Erfolge erzielen. Gleichzeitig unterstützen lokale Partner:innen, passende Fulfillment-Wege und rechtssichere Prozesse dabei, langfristig effizient zu arbeiten. Mit der richtigen Strategie eröffnest du dir in der Türkei einen Markt, der noch viel Potenzial bietet – und zahlreiche Chancen für nachhaltiges Wachstum im internationalen E-Commerce.





